Sonntag, 28. Juni 2015

Gelesen: Liebten wir

Hallo ihr Lieben,

heute habe ich ein ganz persönliches Highlight-Buch für euch - der Juni ist ein richtiger Highlight-Lesemonat stelle ich fest. Aber nicht lange um den heißen Brei geredet:


Bildquelle


Autorin:

Nina Blazon, geboren 1969, studierte Slawistik und Germanistik in Würzburg und lebt inzwischen in Stuttgart, wo sie als freie Journalistin, Autorin und Texterin arbeitet. Nina Blazon ist Autorin zahlreicher Jugend- und Fantasyromane. Sie wurde mit dem Deutschen Phantastikpreis und dem Wolfgang-Hohlbein-Preis ausgezeichnet. (Klappentext)


Inhalt:

Mo ist Fotografin mit dem ganz besonderen Blick. Sie fotografiert das, was unter der Oberfläche steckt. die Zwioschentöne und kleinen Gesten. Nur die eigenen Zwischentöne machen ihr Probleme. sie hofft, dass ihr neuer Freund leon ihr helfen kann, endlich Teil einer glücklichen Familie zu werden. Als sie seine Familie zum ersten mal trifft, kommt es allerdings zum Eklat. Und plötzlich ist mo auf der Flucht - vor Leon, vor der Vergangenheit, vor allem aber vor sich selbst.
Doch sie st dabei nicht allein. Nicht ganz freiwillig nimmt sie Aino mit, Leons Großmutter. Anfangs ist Mo genervt von der Gesellschaft. [...] Auch Aino öffnet sich ihr allmählich. Beide Frauen erkennen;: Manchmal muss man auf eine Reise gehen, um anzukommen. (Klappentext)


Eigene Meinung:

Auch hier hab ich mich natürlich als erstes Mal wieder in das tolle Cover verliebt, auf dem Schwalben in den rosa Woken fliegen, auch für die Haptik ist wieder etwas dabei, die rosa Linien sind etwas erhöht und lassen sich wunderbar nachfahren.
Als nächstes verliebte ich mich in die Geschichte von Mo (Moira), über die man am Anfang so wenig weiß, deren Lebensgeschichte sich dem Leser erst nach und nach eröffnet und deren Kindheit durchaus nicht einfach war und sie sichtlich geprägt hat. Früh hat sie die Mutter verloren, der Vater war nie da, die Schwester zieht sich auch immer weiter von ihr zurück, so dass sie sich später im Erwachsenenleben sehnlichst nach der Zugehörigkeit zu einer intakten, glücklichen Familie sehnt. In Leon und seiner Familie sieht sie schließlich die Erfüllung dieser Sehnsucht, aber alles kommt ganz schrecklich anders. Wobei es durchaus auch schrecklich lustig ist, was bei der ersten "Familienzusammenführung" alles schief geht und wie sich die Dinge rasant entwickeln. Denn mal ehrlich, wer würde denn ahnen können, dass alles damit endet, dass Mo mit Leons Oma nach Finnland flüchtet!?
Was sich lustig anhört und auch durchaus lustig ist, ist zugleich aber auch sehr tiefsinnig, denn Finnland ist nicht zufällig das Ziel der beiden, auch wenn Mo das anfangs denkt. Aino, von der Familie schier erdrückt und nicht mehr für zurechnungsfähig gehalten, verfolgt tatsächlich einen größeren Plan, in dem Mo nur den Gehilfen-Part zu spielen scheint. Unglaublich spannend gestaltet sich die Reise in Ainos Vergangenheit und man fiebert mit, ob sie mit ihrer Vergangenheit abschließen und ihr Ziel erreichen kann - und das obwohl dem Leser auch hier bis kurz vor Schluss nicht klar ist, was das eigentliche Ziel ist (superspannend, sehr tragisch, wunderschön!)
Ich könnte noch unendlich weiter von Mo, Aino, Danae, Aarto und Leon (huch, wer ist denn das alles? ;) ) erzählen - aber lest unbedingt selbst!!
Ganz nebenbei erfährt man von der Autorin so einiges über Fotografie, ein paar Brocken finnisch und die interessante Details über finnische Kulturgeschichte, wichtige Gemälde, Balladen, Kunstfiguren. Im Nachwort entschuldigt sie sich zwar dafür, dass dieser Teil etwas zu lang sei, aber nein - ich finde das macht dieses Buch erst aus! Die Verknüpfung von Story und Historie und all diesen Gefühlen, Sehnsüchten, Wünschen aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Das Buch hat mich sehr berührt und ich kann es jedem nur ans Herz legen :)


Lieblingsstellen:

(S. 223f. Aino erzählt von "ihrer" Zeit)
"Angst vor Kriegsgeschichten?", fragt sie unwillig.
[...] " Aber es war nun mal meine Zeit", sagt Aino verärgert. "Schwamm drüber und weg damit? Nein, das würde euch Jungen so passen." Sie verzieht den Mund. "Das ist das Schlimme an euch. Ihr zahlt Geld dafür, um euch im Kino sterbende Menschen anzuschauen, aber dass es unsere Realität war, ist für euch zu schlimm oder Schnee von gestern, der mit euch rein gar nichts mehr zu tun hat. Nicht einmal die eigenen Enkel wollen davon etwas hören, es sei denn, sie müssen ein Referat halten, und auch dann, bitte schön, brauchen sie nur Geschichten, die zum Unterrichststoff passen. [...] Aber ihr wollt immer nur mundgerechte Häppchen, die man schnell wieder vergessen kann. Doch ihr vergesst, dass das gar nicht möglich ist. Weil der Krieg für immer auch ein Teil eures Lebens ist. Er hallt über Generationen nach, so wie jede Gewalttat, wie ein Mord in der Familie, eine Vergewaltigung, ein Unfall oder ein anderes Unglück. Wie alles, was uns etwas genommen hat, das wir geliebt haben - und sei es nur das Vertrauen, dass die Welt ein sicherer Ort ist. Ihr könnt dieses Echo überhören, uns Alten die Schulter tätscheln und uns den Mund mit Sahnetorte zuszopfen. Es bleibt doch ein Echo."

(S. 516 Mo`s Fazit)
"In gewisser Weise sind wir unsere Erinnerungen." Fast kann ich es Aino wieder sagen hören.
Und außerdem leben wir so lange gefangen in unseren Echos, bis wir aufhören zu rufen, setze ich hinzu.
Dabei wäre nichts leichter, als einfach stillzuhalten und wieder einmal zu warten. [...]
Aber ich weiß, was Aino sagen würde. Ich habe keine Zeit zu verlieren. Jetzt oder nie.


(erschienen bei ullstein, 556 Seiten, 9,99 €)

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